Um es gleich vorweg zu nehmen, dieser Blogeintrag soll keine Anleitung sein, in die Privatinsolvenz zu gehen. Vielmehr schreibe ich davon, weil ich vor ein paar Tagen gelesen habe, dass eine Familie mit 3 Kindern und Bürgergeldempfänger sind, den Schritt in die Privatinsolvenz vollzogen haben. Ich fragte mich, wie das überhaupt ssoweit kommen konnte.
Die Familie hatte vor gerade mal einem Jahr noch aussreichendes Einkommen, weil beide Eltern gearbeitet haben. Sie brauchten keinerlei Unterstützung und hatten genug Geld, um das tägliche Leben zu bezahlen und ihren Hauskredit abzuzahlen. Für den Hauskredit musste die Familie monatlich knapp 1000 Euro an die Bank zahlen.
Soweit so gut, doch dann verlor zunächst die Mutter ihren Job und ein halbes Jahr später auch der Vater. Statt ein regelmäßiges Einkommen von ehemals 3700 Euro netto muss die Familie nun mit dem halben Einkommen zurecht kommen. Etwa 1850 Euro sind für eine 4-köpfige Familie schon recht knapp und wenn davon weiterhin 1000 Euro für Kreditraten gezahlt werden müssen, bleibt der Familie noch 850 Euro für das tägliche Leben.
850 Euro halte ich persönlich für eine Person schon für recht knapp, wie sollen dann 4 Personen damit zurecht kommen? Das stelle ich mir verdammt schwierig vor.
Insolvenzwelle
Die Insolvenzwelle der Unternehmer führt sich nun auch in die Privathaushalte fort. Hier mal eine kleine Tabelle, die zeigt, wie viele Haushalte in Deutschland seit 2018 in die Privatinsolvenz gehen mussten. Die Prozentangaben sind der Anteil aller Haushalte in Deutschland.
Jahr | >Anteil Insolvenzen |
---|---|
2018 | 4 % |
2019 | 3 % |
2020 | 5 % |
2021 | 6 % |
2022 | 10 % |
2023 | 13 % |
Während bis 2021 die Privatinsolvenzen relativ konstant geblieben sind, ist eine nicht unerhebliche Vermehrung der Privatinsolvenzen ab 2022 nicht zu übersehen. Innerhalb von 2 Jahren haben sich die Privatinsolvenzen von 6 % auf 13 % mehr als verdoppelt.
Wer hier eine Parallele zu den Unternehmensinsolvenzen sieht, liegt völlig richtig.
Übrigens: Im Jahr 1993 gingen lediglich 0,9 % aller Haushalte in die Privatinsolvenz.
Während bis 2020 der Grund für eine Privatinsolvenz hauptsächlich an einem gestörten Verhältnis zum Geld lag, werden die meisten Privatinsolvenzen seit 2021 wegen des Verlustes des sicher geglaubten Jobs vollzogen. Die Tendenz der Privatinsolvenzen wird 2025 wohl noch höher liegen, ich schätze bei 14 % oder gar 15 %.
Der Weg ins Verderben
Der Weg in die Privatinsolvenz ist ein langer und schleichender Prozess, den jeder gerne umgehen möchte. Das ist durchaus verständlich, denn eine Privatinsolvenz ist auch heute noch negativ behaftet. Man verliert seine Kreditwürdigkeit und seine Glaubwürdigkeit.
Zuerst merkt man, dass das Geld knapp wird und man beginnt, zu sparen. Vielleicht zuerst am Sprit für das Auto, man fährt weniger und kürzere Strecken. Schließlich ist der Benzinpreis auch recht hoch, so dass man dort zuerst sparen könnte. Der Arbeitsweg wird, wenn möglich, mit dem Fahrrad oder mit dem ÖPNV absolviert. Mit dem Auto vielleicht nur noch 6 km zum Bahnhof und dann mit dem Zug weiter, statt 50 km mit dem Auto?
Danach fängt man an, an Freizeitaktivitäten zu sparen. Der Gang ins Freibad oder ins Fitnes-Studio ist nicht mehr 3 mal in der Woche drin, sondern nur noch einmal in der Woche.
Doch man merkt schnell, dass das auch nicht reicht und so wird mehr darauf geachtet, wo man Strom sparen kann. Doch diese Einsparungen würden sich erst im kommenden Jahr auf der Abrechnung bemerkbar machen, helfen aber nicht sofort. Und dann kommt, was kommen muss.
Eine Sofortmaßnahme, Geld zu sparen, ist die Verpflegung. Man schaut nach günstigen Lebensmitteln, achtet genau auf den Preis und man kauft nicht mehr 6 Pakete Wurst, sondern nur noch 4, nicht mehr 5 Pakete Nudeln, sondern nur noch 3 und so weiter. Man nimmt sich vor, dass diese wenigen Lebensmitteln aber genau so lange reichen müssen, wie vorher. Ergebnis: man nimmt nur noch halb so viel zu sich und nimmt an Gewicht ab.
Spätestens jetzt merkt man, dass man nirgendwo mehr sparen kann und das Geld trotzdem nicht reicht. Außerdem hast Du schon seit 3 Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen, was Deine Situation nicht gerade leichter macht.
Gehaltserhöhung 0 %, Steigerung Deiner Lebenshaltungskosten aber 30 %. Du konntest aber höchstens 15 % einsparen, was natürlich nicht reicht. Du fährst kaum noch mit dem Auto, verbringst Deine Freizeit zu Hause, nimmst nur noch einmal am Tag etwas zu Dir, trinkst statt 3 Liter am Tag nur noch einen Liter und sonst Leitungswasser, empfängst kaum noch Besuch und bis auf Deinen Job bist Du alleine. Zunächst unmerklich, aber immer tiefer findest Du Dich in einer Depression wieder.
Also denkst Du darüber nach, wie Du aus dieser Situation heraus kommst, denn schließlich musst Du noch Rechnungen und Kredite bezahlen, was Dir seit 2 Monaten auch nicht mehr möglich war. Dann kommt Dir die Idee, die Dich von all Deinen Problemen erlösen kann …
Der Weg in die Privatinsolvenz
Die Privatinsolvenz kann eine Lösung aus Deinen Problemen sein. Du kannst nach einer bestimmten Zeit frei von allen Schulden sein und kannst sofort mit wesentlich weniger Sorgen leben, was Deiner Psyche sehr gut tun wird. Du wirst wieder selbstbewusster und nimmst wieder am allgemeinen Leben teil. Doch bevor es in die Privatinsolvenz geht, musst Du etwas tun, und das kann unter Umständen noch einmal unangenehm werden.
Doch zuerst einmal die Vorbereitungen.
Du musst für Dich selbst feststellen, bei wem Du wie viele Schulden hast. Erstelle Dir dafür eine Tabelle in z. B. Excel. Trage in die Tabelle alle relevanten Daten ein, wie z. B. Name und Anschrift des Gläubigers, ggf. Rechnungs- bzw. Vertragsnummer, Höhe der Schuldsumme, Höhe der Restschuld.
Wenn Du wirklich alle Gläubiger aufgelistet hast, addiere die Summe der Restschuld. Jetzt siehst Du schon mal, wie hoch Deine Schulden sind.
Wenn diese Tabelle fertig ist, erstelle eine zweite Tabelle, in der Du alle monatlichen Kosten für Miete, Strom, Gas, Telefon, Lebensmittel usw. einträgst und addiere die einzelnen Beträge.
Jetzt hast Du einen Überblick darüber, was Du jeden Monat ausgeben musst.
Nun suche Dir noch Deine letzten drei Gehaltsabrechnungen bzw. Deinen ALG1- oder Bürgergeldbescheid sowie die Kontoauszüge der letzten 3 Monate heraus und besorge Dir einen aktuellen Schufaausszug.
Wenn Du alles beisammen hast, kommt der schwerste Schritt, den Du gehen musst, wenn er auch noch so schwer fällt.
Mache Dir bei einem Schuldnerberater einen Termin und bespreche mit ihm die Privatinsolvenz. Überlasse ihm alle Unterlagen und reiche umgehend weitere Unterlagen nach. Der Schuldnerberater wird sich dann um alles Weitere kümmern.
Er wird mit allen Gläubigern Kontakt aufnehmen und um Schuldbefreiung bitten. Sollte das nicht zum Erfolg führen, wird er die Privatinsolvenz bei Gericht beantragen. Du bekommst vom Gericht ein Schreiben, wann Deine Privatinsolvenz beginnt und wann sie endet. Bis hier her können bis zu 8 Wochen vergehen, häufig geht es schneller.
Doch wird Dir der Schuldnerberater dazu raten, bei Deiner Bank ein P-Konto einzurichten. Das ist ein Pfändungsschutzkonto, von dem nur die Beträge oberhalb der Pfändungsgrenze gepfändet werden dürfen. Hast Du kein P-Konto, können alle Gläubiger das gesamte Guthaben pfänden lassen und Du stehst komplett ohne Geld da. Das gilt es, zu vermeiden.
Während der Privatinsolvenzzeit von drei Jahren musst Du allerdings bestimmte Regeln beachten und unter allen Umständen einhalten. Zu diesen Regeln zählen:
- >Keine Einkäufe auf Rechnung
- Einkäufe aller Art nur per Vorkasse
- Keine neuen Verträge eingehen
- Keine neuen Kredite aufnehmen
- Bis auf das P-Konto, alle weiteren Bankkonten löschen
- Sparguthaben vor Insolvenz verbrauchen
- Aktien und andere Wertpapiere vor Insolvenz verkaufen
- Eventuell eigenes Unternehmen auflösen
Es gibt allerdings ein paar Dinge, die Du während der Privatinsolvenz behalten darfst. Hierzu zählen unter Anderem:
- >
- Ein Auto, sofern es für den Weg von und zur Arbeit gebraucht wird
- private Altersvorsorge
- Dein Haus, sofern es unverkäuflich ist oder eine Wohnung höhere Kosten verursachen würde
- Zweckgebundene Zuwendungen vom Bund oder Land
Während der Privatinsolvenz steht Dir ein unpfändbarer Freibetrag von 1499,99 Euro (Stand 2024) zur Verfügung. Alles, was über diesen Betrag hinaus geht, muss für die Reduzierung der vorhandenen Schulden eingesetzt werden.
Hast Du ein Einkommen von z. B. 1550 Euro netto, bleiben Dir davon 1499,99 Euro und der Rest von 50,01 Euro muss für die Begleichung der Schulden gezahlt werden.
Und noch etwas, was wichtig sein könnte …
Bist Du Mitinhaber eines Unternehmens und willst in die Privatinsolvenz, ist das nicht möglich. In diesem Fall bedarf es der sog. Regelinsolvenz, die für Unternehmen gedacht ist. Dies trifft jedoch nur zu, wenn Du mit Deinem Privateigentum haftest, was z. B. bei einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) der Fall ist. In diesem Fall muss die Unternehmung vorher aufgelöst werden und dann geht es in die Privatinsolvenz. Die Finanzen der Auflösung werden Deinem Einkommen hinzugerechnet und müssen vor Beginn der Insolvenzbeantragung verbraucht werden.
Bist Du Miteigentümer einer Aktiengesellschaft oder einer KG (Kommanditgesellschaft), sind die eigenen Anteile zu vveräußern. Ansonsten gilt das Selbe, wie bei einer GbR.
Die Wohlverhaltenszeit
Die Insolvenz dauert drei Jahre (36 Monate). In dieser Zeit darfst Du Dir nichts zu Schulden kommen lassen. Du musst Dich also zu Deinem Wohle verhalten. Die entsprechenden Regeln dazu habe ich weiter oben bereits geäußert.
Sollte der Insolvenzverwalter bzw. Schuldnerberater feststellen, dass Du gegen die Regeln verstoßen hast, wird die Privatinsolvenz umgehend beendet und die fällige Restschuld ist umgehend fällig.
Ein solcher Regelverstoß wäre z. B. die Nachbarschaftshilfe, für die Du in bar bezahlt wirst. Sämtliche Bareinnahmen werden dem Einkommen hinzugerechnet. Werden solche Einnahmen verschwiegen, ist das ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenszeit. Allerdings, und hier scheint eine Lücke zu existieren, wird kein Insolvenzverwalter Deine Bareinnahmen kontrollieren. Mache aber nicht den Fehler, die Bareinnahmen auf Dein P-Konto einzuzahlen, denn wenn Du damit den Pfändungsfreibetrag von 1499,99 Euro überschreitest, bist Du Dein Geld wieder los.
Der Schuldnerberater / Insolvenzverwalter
Hierbei handelt es sich um zwei Berufsbezeichnungen mit unterschiedlichen Aufgaben.
Der Schuldnerberater hat lediglich die Aufgabe, Dich zu beraten und eventuell die Privatinsolvenz einzuleiten. Wird die Privatinsolvenz eingeleitet, schreibt er alle Gläubiger an und geht ggf. vor Gericht, um die Privatinsolvenz zu erzwingen.
Die Aufgabe des Schuldnerberaters ist damit auch schon beendet.
Der Insolvenzberater wird vom Gericht bestimmt. Dies kann ggf. auch der selbe sein, wie der Schuldnerberater, muss es aber nicht. Er hat die Aufgabe, Deine 3-jährige Wohlverhaltenszeit zu überwachen und sich mit den Gläubigern auseinander zu setzen. Normalerweise wird der Insolvenzverwalter mit Dir etwa 2 mal im Jahr Kontakt aufnehmen. Dies geschieht entweder postalisch oder telefonisch.
Er wird Dich darauf hinweisen, dass sämtliche Kommunikation mit Deinen Gläubigern über ihn zu laufen haben.
Hast Du die 3 Jahre hinter Dich gebracht, bekommst Du vom Gericht ein Schreiben, in dem Dir erklärt wird, dass Deine Wohlverhaltenszeit beendet ist und Du ab sofort schuldenfrei bist.
6 Monate später werden dann alle Schufaeinträge gelöscht, die Deine Privatinsolvenz betreffen. Wenn das geschehen ist, kannst Du Dein P-Konto wieder zu einem normalen Girokonto wandeln lassen.
Vom ersten Tag der Kontaktaufnahme mit einem Schuldnerberater bis zur Löschung der Schufaeinträge können also maximal 44 Monate ins Land gehen.
Schlusswort
Die Privatinsolvenz ist eine gute Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit schuldenfrei zu werden. Wer allerdings mehr als 1499,99 Euro netto im Monat zur Verfügung hat, wird es mit einer Privatinsolvenz nicht leicht haben. Wer jedoch ein geringeres Nettoeinkommen hat, bekommt mit der Privatinsolvenz eine gute Möglichkeit an die Hand gegeben.
Die Pfändungsgrenze wird jedes Jahr angepasst und in der Regel erhöht, so dass für das Jahr 2025 mit einer Pfändungsfreigrenze von etwa 1510 Euro gerechnet werden kann. Wie hoch sie wirklich sein wird, wird erst 2025 feststehen.
Es gibt Nettoeinnahmen, die bei der Pfändungsgrenze nicht angerechnet werden dürfen. Diese Einnahmen sind in der Regel vom Bund geleistet und zweckgebunden. Sie betreffen dabei in der Hauptsache behinderte Menschen, die einen finanziellen Mehrbedarf benötigen, um am allgemeinen Leben Teil haben zu können.
Wer die Wohlverhaltenszeit von 3 Jahren erfolgreich hinter sich gebracht hat, wird schuldenfrei sein. Das sind zwar drei Jahre mit gewissen Verhaltenseinschränkungen, aber die kann man durchaus in Kauf nehmen.
Insbesondere ältere Menschen, die in wenigen Jahren in Rente gehen und derzeit hohe Schulden haben, sollten sich überlegen, ob sie auch mit einer kleinen Rente ihre Schulden abzahlen oder lieber bis dahin schuldenfrei sein wollen. Dies betrifft im Besonderen auch ALG1- oder Bürgergeldempfänger. Aber auch für Arbeitnehmer mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1499,99 Euro und hohen Schulden kann eine Privatinsolvenz eine gute Möglichkeit sein, schuldenfrei zu werden.
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