Kein BDSM?

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Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich diesen Beitrag veröffentlichen soll oder nicht. Ich habe mir vor Allem Gedanken über mich und in meinem Freundeskreis gemacht
Heute soll es darum gehen, ob sich BDSM und eine Behinderung gegenseitig ausschließen.

Was ist eine Behinderung?

Eine Behinderung liegt bei einer chronischen Erkrankung vor, welche auch mittels Medikamenten, Hilfsmitteln und Kuren nicht oder nicht vollständig beseitigt werden kann und mindestens 6 Monate besteht, sowie eine spürbare Besserung oder Heilung nicht in absehbarer Zeit gegeben ist.
Das hört sich erst einmal so herrlich allgemein an. Deshalb werde ich die Begriffserklärung mal an Hand von diversen Merkmalen näher erläutern.

Eine Behinderung liegt vor, wenn

  1. eine chronische Erkrankung mindestens 6 Monate besteht
  2. Eine Heilung mit medizinischen Mitteln nicht erreicht werden kann
  3. keine spürbare Besserung durch Hilfsmittel erreicht wird
  4. ein oder mehrere Gliedmaßen fehlen
  5. eine Orientierungslosigkeit auf Grund einer chronischen Krankheit vorliegt
  6. Ein Geburtsfehler vorliegt
  7. eine Minderung der geistigen Fähigkeiten auf Grund einer chronischen Krankheit oder eines Geburtsfehlers entstanden ist
  8. Zur Ausübung alltäglicher Tätigkeiten Hilfsmittel notwendig sind.

Wenn wenigstens 3 der genannten 8 Punkte zutreffen, liegt eine Behinderung vor.

Als Hilfsmittel kann zum Beispiel eine Brille gehören. Doch wer eine Sehschwäche hat, die mit einer Brille ausgeglichen werden kann, gilt nicht als behindert.
Auch ein Rollstuhl gehört zu den Hilfsmitteln. Wer einen Rollstuhl benötigt, um zu einem Ziel zu gelangen, zudem eine Lähmung oder amputierte Beine hat, gilt als Schwerbehindert.

Unterschied Behinderung und Schwerbehinderung

Eine Behinderung ist eine abgeschwächte Form der Schwerbehinderung. Sie liegt vor, wenn zur Erledigung alltäglicher Dinge keine Hilfe Dritter oder Hilfsmittel benötigt wird.
Der Übergang von einer Behinderung zu einer Schwerbehinderung ist fließend, so dass keine klare Grenze gezogen werden kann.
Eine Schwerbehinderung liegt in der Regel dann vor, wenn zur Erledigung alltäglicher Tätigkeiten zwingend Hilfe in Form von Hilfsmitteln oder Dritter benötigt wird.
Sowohl Behinderte als auch Schwerbehinderte können (müssen aber nicht) auf die Hilfe anderer Personen angewiesen sein.
So gibt es Behinderte, die zwingend Hilfe durch Dritte benötigen, aber auch Schwerbehinderte, die Dank Hilfsmittel ohne eine betreuende dritte Person auskommen.

Arten der Behinderung

Es wird im Grunde zwischen körperlichen und geistigen Behindderungen unterschieden.
Körperliche Behinderungen sind z. B.:

  1. Querschnittslähmung
  2. Sehbehinderung
  3. Gehbehinderungen
  4. Lähmungen aller Art
  5. Implantate wie Herzschrittmacher

Dagegen zählen zu den geistigen Behinderungen zum Beispiel:

  1. dauerhafte Orientierungslosigkeit
  2. Artikulationsprobleme
  3. Fehlende Sinne wie riechen, fühlen, sehen
  4. unkoordinierte Gedanken, so auch Authismus
  5. psychische Störungen nach ICD10, Kapitel F

In Deutschland gibt es ca. 8 Millionen Behinderte und Schwerbehinderte. Das entspricht knapp 10 % aller Bundesbürger. Fast jeder Zehnte hat eine Behinderung, die sich zu einer oder mehrerer obiger Informationen einordnen lassen.

BDSMler alle behindert?

Kurz gesagt: nein.
Wenn man sich aber intensiv auf einschlägigen Webseiten zum Thema BDSM umsieht und dort diverse Unterhaltungen (Chats) betreibt, fällt schon auf, dass sehr viele User, die mit BDSM nichts zu tun haben wollen, der Meinung sind, dass BDSMler alle irgendwie behindert sein müssen.
Nun, ich denke, solche User nutzen in diesem Fall den Begriff „behindert“ wissentlich falsch. BDSMler sind nicht behindert, nur anders. Anders in so fern, als dass die meisten BDSMler verantwortungsvoll sich selbst und Anderen gegenüber sind. BDSMler haben sowas wie einen 6. Sinn in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit und BDSMler sind vorsichtiger, als nicht BDSMler.
Das ist mein ganz subjektiver Eindruck zu BDSMlern. Dabei habe ich mich außen vor gelassen, denn dazu komme ich später noch.

BDSM und Behinderung

Wenn ich mir die letzten 10 Jahre durch den Kopf gehen lasse und mir die Infos zu meinen Gästen der letzten 10 Jahre ansehe, komme ich zu folgenden Ergebnis:

42 % haben körperliche Einschränkungen. Dabei hat der überwiegende Teil Probleme mit dem Knie oder dem Fußgelenk.
1 % hat mit Herz- und Kreislaufproblemen zu kämpfen und
20 % haben eine Sehschwäche bis hin zu einer spürbaren Seheinschränkung.
Lediglich 37 % meiner Gäste der letzten 10 Jahre war absolut gesund und hatte keinerlei Einschränkungen körperlicher und / oder geistiger Art.

Einer meiner Gäste mit einer starken Sehschwäche offenbarte mir, dass er 4 Jahre vorher einen schweren Verkehrsunfall hatte und dabei ein Auge verlor. Auch das verbliebene Auge ist in Mitleidenschaft gezogen worden, weshalb er seit dem eine Brille tragen muss, um noch Autofahren zu dürfen.
Ein anderer Gast erzählte mir nach der Session, dass er als Jugendlicher an Silvester einen Feuerwerkskörper von hinten ins Knie bekommen hat und er seit dem ein künstliches Kniegelenk hat.
Tja, so schnell kann es gehen und man ist behindert.

BDSM, Behinderung und ich

8 Millionen Bürger sind schwerbehindert. Sie haben die unterschiedlichsten Behinderungen, die ich gar nicht alle aufzählen kann und will. An dieser Stelle möchte ich von der Behinderung erzählen, mit der ich persönlich zu tun habe und die ich oben schon mal kurz erwähnt habe: die Sehschwäche.
In meinem Beitrag
Ein Sado der besonderen Art habe ich bereits zu diesem Thema geschrieben. Es könnte zum Verständnis sinnvoll sein, den Beitrag ebenfalls zu lesen.

Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Das ist ihm von Mutter Natur so mitgegeben. Wäre der Mensch ein Beutetier, wären seine Augen nicht nach vorne gerichtet, sondern seitlich am Kopf platziert.
Der Jäger hat jedoch das Problem, in Dunkelheit nicht gut sehen zu können. Er benötigt Licht, um sich zu orientieren und seine Beute anzuvisieren.
Die Tatsache, dass der Mensch auch heute noch Licht benötigt, ist der Tatsache geschuldet, dass er ein sehr optisch orientiertes Wesen ist.
Deshalb bekommen es viele Menschen bei fehlendem Sehvermögen mit der Angst zu tun. Plötzlich bewegen sie sich unsicher, scheinen mehr zu hören und intensiver zu riechen, als sonst. Doch der Eindruck täuscht. Wer schlecht sehen kann, hat nicht immer ein besseres Gehör. Das muss trotzdem trainiert werden.
Das Gehörtraining kommt mit fortlaufend eingeschränktem Sehvermögen, es wird im Laufe der Zeit besser und man konzentriert sich in der Dunkelheit mehr auf das Hören als auf das Sehen.
Soweit so gut. Mein Sehvermögen ist stark eingeschränkt und mein Gehör hat sich in der Tat verbessert. Doch neben dem verbesserten Gehör nutze ich auch den Geruchs- und Tastsinn. Alle drei Sinne zusammen sind in der Lage, mein niedriges Sehvermögen fast komplett auszugleichen.
Das, was durch das Hören, Riechen und Tasten nicht ausgeglichen werden kann, wird mit Hilfsmitteln ausgeglichen. So habe ich zwar eine Schwerbehinderung, bin jedoch in der Position, diese Schwerbehinderung zu 90 % auszugleichen.

Und wie sieht das nun mit BDSM aus?
Tja, das ist gar nicht einfach zu beschreiben bzw. zu erklären. Das liegt in der Hauptsache daran, dass das Vorurteil vorherrscht, dass eine schlecht sehende Person kein BDSM praktizieren kann. Erst recht dann nicht, wenn es um Praktiken geht, bei denen Toys zur Anwendung kommen sollen.
Ich kann dieses Vorurteil ja nachvollziehen.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die rigerose Ablehnung. Jeder, wirklich ausnahmslos Jeder, der bemerkt, dass ich eine Seheinschränkung habe oder ich es ihm/ihr vorher mitgeteilt habe, sieht sich außer Stande, eine Session bei mir mitzumachen oder gar mein Sklave zu werden.
Hinzu kommt, dass sich 99,9 % aller Gäste nicht trauen, mir mitzuteilen, warum sie nicht wieder kommen oder nicht mein Sklave werden wollen.
Die 0,1 %, die mir geantwortet haben, hatten stets andere Gründe wie z. B. Sie müssen noch Schulden bezahlen, können nicht umziehen, haben eine Freundin, die nichts davon wissen soll, usw. Im Laufe der Jahre habe ich für mich festgestellt, dass das nicht die wahren Gründe sein können.

Nein, die wahren Gründe sind Folgende:

  1. Ein Blinder kann nicht foltern
  2. Ein Blinder kann nicht auspeitschen
  3. Ein Blinder kann nicht mit Nadeln umgehen
  4. Ein Blinder kann Dich nicht erziehen
  5. Ein Blinder kann nicht Autofahren
  6. Ein Blinder kann nicht alleine außer Haus gehen
  7. Ein Blinder kann kein Sado und dominant sein

Kurz gesagt: Ein Blinder ist nicht in der Lage, BDSM zu praktizieren.
Wie soll er auch, wenn er gar nicht die Chance erhält? 🙂
Und bei den Subs und Masos, bei denen er die Chance erhält, herrscht vorrangig Angst vor, die Angst, dass etwas schief geht. Als Sado wird man während der Session von den Masos und Subs genauestens beobachtet und dabei vergessen sie, dass wir uns in einer Session befinden, die beiden Spaß machen soll. Doch macht Dir eine Session noch Spaß, wenn Du den Sado genauestens beobachtest? Ich glaube nicht. Ist das vielleicht einer der Gründe, weshalb Dir die Session nicht gefallen hat und Du nicht wieder mein Gast wirst?

Sklaven bzw. Sklavenanwärter, die ein ganzes Wochenende bleiben wollen, müssen in der Regel den ersten Tag völlig ohne Sehvermögen bestehen, und das in fremder Umgebung. So erhält der Sklavenanwärter einen Eindruck davon, wie es einem Blinden in fremder Umgebung gehen könnte.
Nicht nur einmal war ein Sklavenanwärter überrascht, in welchen Räumen er die letzten 24 Stunden ohne etwas sehen zu können, gewesen ist, wo er saß, wo er gegessen oder geschlafen hat. Für Jeden war es eine völlig neue Erfahrung, eine Erfahrung, die sie um nichts in der Welt hätten versäumen wollen.
Dennoch, ich könnte gut darauf verzichten, nichts sehen zu können. Doch den Sklavenanwärtern ist es vergönnt, nach 24 Stunden wieder sehen zu können, mir nicht.
Mein Leben lebe ich alleine. Ich erledige alles, was zu tun ist, innerhalb des Hauses selbst.
Unterwegs, also außer Haus, gibt es nur zwei Dinge, die ich benötige:

  1. Hilfe bei Einkäufen im Discounter
  2. Hilfe zur Orientierung in fremder Umgebung

Das war es auch schon.

Schlusswort

Schwerbehindderung und BDSM schließen sich keineswegs aus. Ich habe seit meinem ersten BDSM-Kontakt mit sehr vielen behinderten BDSMlern zu tun gehabt, sowohl Tops als auch Subs.
Eines war dabei immer bemerkenswert: schwerbehinderte BDSMler sind wesentlich einfühlsamer und vorsichtiger, als andere BDSMler.

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